Kinästhetik lebt durch die Anwendung. Sie können manches ausprobieren, auch ohne vorher einen Kinästhetik-Kurs besucht zu haben.
- Kinästhetik funktioniert, wenn die helfende Person und der unterstützungsbedürftige Mensch zusammenarbeiten. Bewegen Sie sich miteinander und lassen Sie sich auf die neuen Bewegungsformen ein.
Gehen begleiten

Begleitung beim Gehen bedeutet zunächst, sich auf die Bewegung der anderen Person einzulassen. Sie bestimmt die Schrittlänge und das Fortbewegungstempo. Gehen erfordert ständig ausgleichende Balancebewegungen, ein Gefühl für die eigene Aufrichtung und die Position im Raum.
Nicht jeder kann sich immer komplett aufrichten, nach vorn schauen, die Füße wirklich heben oder die Schrittlänge kontrollieren. Die Unterstützung ist deshalb individuell.
Michael benötigt Unterstützung beim Gehen

Wir möchten Ihnen Michael und Peter vorstellen. Michael geht oftmals schleppend und wirkt gangunsicher. Wenn er sprechen möchte, bleibt er stehen, um sich irgendwo festzuhalten. Wie kann Peter ihm helfen?

Peter steht leicht schräg hinter Michael und vermittelt ihm Sicherheit durch einen seitlichen Kontakt am Becken. Seine Hände geben ihm den Impuls, das Gewicht auf eine Seite zu verlagern. Dadurch spürt Michael, dass er ein Bein für eine Bewegung entlasten kann. Fast von allein folgt zuerst eine Bewegung der entlasteten Seite und dann der nächste Schritt.
Unterstützung beim Gehen kann funktionieren, wenn Sie sich auf das Tempo der anderen Person einlassen und einen gemeinsamen Rhythmus finden.

Das Gehen mit einem Rollator unterstützt Peter, indem er schräg versetzt zu Michael geht. Über richtungsgebende Impulse der Hände an den Beckenaußenseiten fördert er die Bewegung in eine Richtung und vermittelt Sicherheit.
Tipps: Gehen unterstützen
- Bieten Sie Ihren Unterarm als Halt an. Dies ist besser als ein Griff in die Achselhöhle.
- Viele Menschen greifen in den Hosenbund oder Gürtel, um beispielsweise beim Aufstehen zu unterstützen. Das sollte vermieden werden, da es wenig Stabilität bietet und auch Schmerzen verursachen kann. Es gibt breite Gurte, die um das Becken geschlungen werden. So können Sie stabiler unterstützen und nebenbei die Kleidung schonen.
- Nutzen Sie Hilfsmittel, die das Gehen sicherer werden lassen, wie einen Rollator oder einen Gehstock.
- Bringen Sie Haltegriffe an, die das selbstständige Aufstehen/Stehen, etwa im Bad, vereinfachen.
- Schaffen Sie Platz im Raum, damit Sie sicher beim Gehen unterstützen können. Gestalten Sie den Wohnbereich möglichst so, dass keine Möbelstücke die Laufwege blockieren.
Aufrecht sitzen
Für das aufrechte Sitzen benötigt man Balance im Oberkörper. Für die folgende Bewegungsidee sollte das freie Sitzen ohne Anlehnen möglich sein.
Das Aufrichten und die Bewegung hin zur Rückenlehne können Sie mit kleinen Bewegungsimpulsen und einer Anleitung unterstützen. Michael und Peter zeigen, wie es gelingen kann.
Michael benötigt Unterstützung, um aufrecht zu sitzen

Michael sitzt mit dem Gesäß nach vorn gerutscht und in sich zusammengesackt auf einem Stuhl. Mit ein wenig Anleitung kann er ausbalanciert sitzen.

Peter sorgt zunächst dafür, dass Michaels Füße fest und sicher auf dem Boden stehen. Dazu signalisiert er durch eine leichte Berührung am Oberschenkel und am Schienbein, wie Michael die Position der Beine verändern soll.

Nun kann Peter beim Aufrichten unterstützen. Er reicht Michael seine Hände, damit er sich aufrichten und auf der Stuhlkante ausbalancieren kann. Wenn Michael es schafft, könnte er sich auch mit seinen Armen abstützen und dadurch in eine aufrechte Position bringen.

Michael verlagert das Gewicht auf eine Körperseite. Peter vermittelt ihm über eine Hand an der Schulter der belasteten Seite, wohin er den Oberkörper bewegen soll. Michael entlastet so eine Körperseite und kann dort Gesäß und Bein etwas zur Rückenlehne bewegen. Peter unterstützt dies mit einer Berührung am entlasteten Bein. Anschließend verlagert Michael das Gewicht auf die andere Körperseite, um dort die gleiche Bewegung auszuführen.
Damit die unterstützungsbedürftige Person wieder aufrecht und gestützt sitzt, wiederholt sie diese Abfolge so oft, bis eine durch die Rückenlehne gestützte Sitzhaltung erreicht ist. Sie selbst leiten dabei an und haben eine hilfreiche Hand parat.
Tipps: Angelehnt sitzen
- Aufrechtes Sitzen ermöglicht eine bessere Kopfhaltung und erleichtert es, die Umgebung wahrzunehmen.
- Die aufrechte Haltung erweitert den Bewegungsspielraum der Arme. So wird es leichter, nach Gegenständen zu greifen.
- Achten Sie darauf, dass der Rücken angelehnt und somit entlastet ist. Das kompakte Gewicht des Körpers wird so nicht allein durch die Rückenmuskulatur gehalten.
- Wenn Personen ihre Sitz- oder Liegeposition nicht selbstständig wechseln können, lastet oftmals viel Gewicht über längere Zeit auf den gleichen Körperstellen. So kann schlimmstenfalls ein Druckgeschwür entstehen. Verändern Sie deshalb regelmäßig die Positionen, indem Sie etwa durch kleine Schaumstoffkeile minimale Gewichtsverlagerungen vornehmen.
Im Bett zum Kopfende bewegen
Will man das Kopfteil des Pflegebettes hochstellen, sollte die im Bett liegende Person mit dem Kopf nahe am Kopfende liegen. Oftmals ist dafür vorab eine Bewegung zum Kopfende erforderlich. Man sagt im Alltag oft „Hochrutschen“, doch mit Rutschen hat die nun folgende Bewegung wenig zu tun.
Michael möchte sich zum Kopfende bewegen
Michael liegt nah am Fußende des Bettes. Er kann die Beine beugen und seine Arme bewegen. Er hat Kontrolle über die eigene Gewichtsverteilung in Rücken- und Seitenlage. Peter vermittelt ihm über Impulse den Bewegungsweg.

Peter fordert Michael auf, zunächst das eine und anschließend das zweite Bein anzuwinkeln. Nun können beide Füße in die Matratze drücken und Michael spürt, dass er das Becken bewegen kann.

Für die Bewegung zum Kopfende drückt Michael den linken Fuß fest in die Matratze. Das Becken und die linke Körperhälfte heben sich leicht. Michael verstärkt die Bewegung, indem er den linken Arm mitnimmt und nach rechts oben bewegt. Peter kann dies zusätzlich mit einem Impuls an der Schulter unterstützen. Nun bittet er Michael, das Kinn noch etwas Richtung Brust zu bewegen und sich mit dem Fuß in Richtung Kopfende abzudrücken.

Die gleiche Bewegung folgt nun auch auf der rechten Seite. So bewegt sich Michael mit rollenden Bewegungen zum Kopfende.
Diese rollende Bewegung wiederholt Michael so lange, bis er eine Position nahe dem Kopfende des Betts erreicht hat.
- Üben Sie mit der unterstützungsbedürftigen Person möglichst frühzeitig die rollende Bewegung zum Kopfende ein. Auch wenn die Beweglichkeit nachlässt, ist diese Bewegung verinnerlicht und die Ausführung mit mehr Unterstützung gelingt auch dann.
Michael möchte sich zum Kopfende bewegen
- Entscheiden Sie vorab, auf welcher Bettseite Sie sich als unterstützende Person gut bewegen können.
- Unterstützen Sie achtsam, wenn Bewegungen Schmerzen bereiten.
- Geben Sie der pflegebedürftigen Person und sich ausreichend Zeit für das Vorgehen.
- Finden Sie gemeinsam einen Bewegungsrhythmus in der rollenden Bewegung. Es wird dann weniger anstrengend für Sie beide.
- Stoppersocken unterstützen den Halt auf der Matratze.
- Eine spezielle Gleitmatte unter dem Gesäß erleichtert das Vorgehen. Diese erhalten Sie im Sanitätsfachhandel, ggf. über eine ärztliche Verordnung.
- Eine Hand an der Rückseite des Oberschenkels kann einen Impuls geben und so die Bewegungsrichtung verdeutlichen.
- Kleine Handtuchrollen oder Waschlappen, die am Übergang vom Gesäß zum Oberschenkel platziert werden, verhindern, dass das Gesäß beim Hochstellen des Kopfteils verrutscht.
- Nutzen Sie die Bewegungsansätze der pflegebedürftigen Person. Oftmals kann sie selbst beispielsweise Kopf und Oberkörper bewegen oder auch ein Bein beugen.
Aus dem Liegen auf die Bettkante setzen
Als gesunder Mensch macht man sich wenig Gedanken darüber, wie man aus seinem Bett aufsteht. Anders ist es, wenn Bewegungseinschränkungen vorliegen. Dann braucht es möglicherweise neue Bewegungsideen. Zum Aufsetzen auf der Bettkante benötigt die unterstützungsbedürftige Person Kontrolle über ihr Gleichgewicht. Sie sollte in der Lage sein, sich im Sitzen aufrecht zu halten. Das im Folgenden beschriebene drehende Vorgehen lässt Freiraum für eigene Bewegungsansätze und reduziert die Anstrengung.
Schaffen Sie Platz für die Bewegungen aber auch für Hilfsmittel, wie einen Rollator oder Rollstuhl.
Für eine sichere Sitzposition sollten die Oberschenkel so auf der Matratze aufliegen, dass die Bettkante sich auf Höhe der Kniekehlen befindet. Achten Sie deshalb bevor Sie mit dem Aufsetzen beginnen darauf, dass das Gesäß den richtigen Abstand zur Bettkante hat – nicht zu nah und nicht zu weit entfernt. Gegebenenfalls müssen Sie die Person zunächst an den gegenüberliegenden Bettrand bewegen.
Aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichten die nun folgenden Illustrationen auf die Darstellung eines Rausfallschutzes. In der Praxis ist der Einsatz zumindest auf Höhe des Oberkörpers zu empfehlen.
Michael möchte an die Bettkante
Michael ist körperlich schwach. Er kann sich im Bett bedingt allein bewegen, schafft es jedoch nicht mehr, sich aufzusetzen oder allein aufzustehen.

Peter entfernt zunächst störende Kissen und Decken aus dem Bett. Er zieht Michael Stoppersocken an. Da er zu nah an der Bettkante liegt, muss er sich zunächst weiter zur Bettmitte bewegen. Dazu bittet Peter ihn, nacheinander die Beine anzuwinkeln, damit er die Füße in die Matratze drücken kann. So wird das Becken frei und Michael kann es ein wenig zur Seite bewegen. Im Anschluss kann der Oberkörper in kleinen Bewegungen folgen. Damit erreicht Michael die Ausgangsposition für das Aufsetzen.

Michael kann jetzt die gebeugten Beine in Richtung der Bettkante kippen.

Sein Oberkörper folgt dieser Bewegung, der Kopf neigt sich dabei etwas nach vorn. So kann er sich fast von allein auf die Seite drehen. Damit Michaels Arm hierbei nicht unter seinen Körper gerät, achtet Peter darauf, dass er ihn vorher etwas vom Körper entfernt ablegt.

Michael bewegt nun ein Bein nach dem anderen über die Bettkante. Er kann sich mit den Armen abstützen, um den Oberkörper aufzurichten. Manche Menschen benötigen auch eine Hand, die sie stützt.

Für das Aufrichten kann ein Impuls an der Vorderseite des Oberschenkels hilfreich sein, der zusätzlich das Abdrücken der Arme unterstützt. Dadurch vereinfacht sich das Verlagern des Gewichts.
- Wieviel Unterstützung ein Mensch benötigt, hängt auch von seiner Tagesform ab. Machen Sie sich bewusst, dass manchmal mehr als üblich erforderlich sein kann.
Tipps: Auf die Bettkante
- Legen Sie Handschmuck und Armbanduhr ab, um Verletzungen vorzubeugen.
- Stellen Sie das Pflegebett auf eine Höhe ein, bei der die Person ihre Füße im Sitzen stabil auf den Boden stellen kann. Das gilt besonders, wenn Sie zuvor das Bett hochgefahren haben, um rückenschonend pflegen zu können.
- Sie können die Aufrichtung auch teilweise dem Pflegebett überlassen, das Kopfteil hochstellen und über einen Druck auf die Oberschenkelvorderseite den Impuls zur Aufrichtung intensivieren.