Vielen Menschen fällt es schwer, über das Sterben zu sprechen. Gespräche können Trost spenden, Klarheit verschaffen und Perspektiven aufzeigen.
Mit sterbenden Menschen sprechen
Sterbeforscher Ernst Engelke hat sich mit der Frage befasst, was Menschen am Lebensende beschäftigt. Er fand heraus, dass die letzte Lebensphase ganz bestimmte Fragen aufwirft:
- Wie gehe ich mit dem Wissen über den nahenden Tod um?
- Wie reagiere ich auf körperliche und geistige Einschränkungen?
- Wie verbringe ich meine letzten Tage oder Wochen?
Die Antworten auf diese Fragen sind individuell und hängen unter anderem vom persönlichen Lebensstil und dem kulturellen Hintergrund ab. In Gesprächen können Sie dabei unterstützen, sich mit den oben genannten Fragen auseinanderzusetzen.
Drängen Sie nicht auf ein Gespräch. Ihr Gegenüber bestimmt, ob, wann und wie es stattfindet. Wer sein Leben lang nicht sehr kommunikativ war, ändert das wahrscheinlich auch nicht am Lebensende.
Birgit, 73 Jahre, berichtet:
Als mein Mann im Sterben lag, wollte ich so vieles mit ihm besprechen. Doch er wich aus, sobald es emotional wurde. Ich konnte das kaum akzeptieren und drängte ihn förmlich zu Gesprächen. Irgendwann wurde mir klar: Hier geht es nicht um mich, sondern um ihn. Als ich ihn nicht mehr forderte, konnte er sogar etwas Nähe zulassen.
Mitunter ist es nötig, mit Kindern über das Abschiednehmen zu sprechen. Wie Kinder trauern und welche Unterstützung Erwachsene geben können, erklärt ein Beitrag des Bayerischen Rundfunks. Auf der Internetseite Alles ist anders erhalten Kinder und Jugendliche Unterstützung bei
der Trauerarbeit.
Sterbende im Gespräch begleiten
Frau Hirt erklärt, welche Besonderheiten es bei Gesprächen mit Sterbenden gibt.
Frau Hirt erklärt im Video:
Was beschäftigt Menschen am Lebensende?
Die beschäftigen sich mit sich selber, das bedeutet es geht um ihren eigenen Zustand auf der körperlichen Ebene, oft dreht es sich um die eigenen Ängste, um das Psychische und um die Versorgung. Und sie beschäftigen sich mit den Menschen, mit denen sie zu tun haben, mit dem, was bleibt. Wie es da weitergeht, wie die Zukunft da aussieht. Also das sind Gesprächsthemen. Einmal ich: Wie wird es mir gehen? Wie ist das Sterben? Wie fühlt es sich an? Werde ich Angst haben? Werde ich Schmerzen haben? Werde ich Atemnot haben? Und dann: Was passiert mit meinen Angehörigen? Mit meinen Kindern, mit meinen Haustieren? Bei alten Menschen auch oft: Was passiert mit meinem Haus, mit den Dingen, die mir wert sind?
Wie gehen Menschen mit dem nahenden Tod um?
Wenn Sie in einer Krise sind, was machen Sie dann? Gehen Sie dann joggen, gehen Sie laufen, erzählen Sie ganz viel, hören Sie laut Musik, essen Sie vielleicht gerne ein Stück Kuchen oder ein dickes Eis? Diese Strategien in den Krisen ändern sich doch nicht, wenn ich in die Lebenskrise oder ans Lebensende komme. Manche Dinge kann ich nicht mehr verwirklichen, das heißt dann bin ich auch manchmal ziemlich brummelig, weil es nicht geht. Ich kann dann nicht mehr joggen gehen. Aber, so ein alter Bergmann zum Beispiel, mit dem haben wir es hier zu tun in Kamp-Lintfort, die haben doch nicht gelernt zu kommunizieren nach Schulz von Thun oder so. Die haben sich in sich selber verkrümelt, haben Fernsehen geguckt oder Fußball geguckt und dann war das gut. Und irgendwann sind die wieder - vielleicht - aus diesem Rückzug gekommen und die ändern die Strategie doch nicht, weil sie sterbend sind. Dann gehen Sie mit den Krisen weiter so um wie sie es gewohnt waren. Und wenn ich also einen Menschen, den ich gut kenne, mit dem ich zu tun habe, wenn der in eine Krise gerät, in eine Krise des Verlusts, des Sterbens oder sonst was, dann kann ich ihm einfach nur da zur Seite stehen, wo er gerade ist. Der fängt doch nicht an, mit mir alle Probleme zu bewältigen oder zu besprechen, wenn er das 20 Jahre nicht getan hat. Also gar nicht dran rumpüngeln, sondern lassen. Jeder hat seine eigene Strategie und die muss ich einfach respektieren und akzeptieren. Wir wollen alle immer Gott weiß was für Gespräche führen, alle Probleme bewältigen, auseinanderzupfen. Muss nicht.
Was ist wirklich noch wichtig?
Manchmal gibt es in den Sterbebegleitungen noch ungeklärte Sachen. Dann fragen uns Angehörige: “Muss ich das dem Papa, der Mama jetzt noch sagen oder meinem Ehemann?“. Und unsere Empfehlung ist dann zu schauen, wie wichtig ist das für dich. Muss es wirklich geklärt werden und wenn auch wirklich mit dem Sterbenden jetzt oder gibt es eine andere Lösung? Kann ich es vielleicht mit jemand anderem besprechen und wie wichtig ist es für dein Weiterleben, dass das noch geklärt wird? Es gibt existenzielle Dinge, da ist es vielleicht wichtig nochmal in Konfrontation zu gehen oder in einen aufrechten Austausch, in ein behutsames Gespräch, um das zu klären. Aber ganz viele Dinge sind nachher irrelevant, die müssen nicht mehr geklärt werden. Und bevor ich etwas Frage und einfach ausspreche, eine Nacht noch darüber schlafen und fragen: „Ist es wirklich so wichtig, dass ich den anderen und mich damit nochmal belaste?“.
Welche Konflikte können bei Gesprächen mit Sterbenden entstehen?
Menschen hören auf zu essen und zu trinken, weil sie sterben und sie sterben nicht, weil sie aufhören zu essen und zu trinken. Und dann ist es oft so, dass Ehepartnerinnen oder Ehepartner noch unbedingt wollen, dass dieser Mensch was isst oder trinkt, weil es mein Bedürfnis ist, dass er weiterlebt. Weil es mein Bedürfnis ist, dass ich sagen kann: „Ach guck mal, er hat den Pudding gegessen.“ Und es ist nicht das Bedürfnis des kranken Menschen oder des alten Menschen. Oder es ist mein Bedürfnis, dass die Freunde nochmal kommen und sich von meinem Mann verabschieden. Und da geht es eigentlich wirklich darum zu schauen: Wer gibt mir den Auftrag und wessen Bedürfnis befriedige ich gerade?
Worauf kommt es an?
Wichtig ist, dass ich nachfrage, ob ich es richtig verstanden habe. Also, das ist das Mit. Dass ich frage: „Habe ich dich richtig verstanden, dass du das und das möchtest?“, „Habe ich dich richtig verstanden, dass du heute keinen Durst hast?“. Weil eine Nachricht oder das, was ich verstehe, entsteht ja in meinem Kopf. Das heißt ja nicht unbedingt, dass der Mensch genau das gesagt hat. Also sich zu vergewissern, ob ich es auch richtig verstanden habe. Das ist, glaube ich, mit das Wichtigste. Zu überprüfen: „Du hast gesagt du hast Schmerzen. Hast du die die ganze Zeit oder ist es jetzt nur, wenn du so liegst?“. Solche Sachen. Weil es geht darum, den anderen zu verstehen. Dass ich eine Idee davon bekomme, was in dem anderen gerade los ist.
Tipp aus der Redaktion:
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„Ich pflege – auch mich“