Oft gelingt es über ein wertschätzendes Miteinander, den gemeinsamen Lebensalltag zu entspannen und schwierige Situationen zu lösen. Dahinter steckt eine innere Grundhaltung, die es möglich macht, sich in den anderen Menschen einzufühlen, seine Lebenswelt zu akzeptieren und diese wertfrei zuzulassen. Dieser Ansatz ist unter dem Begriff der Validation bekannt.
Einfühlsam kommunizieren mit Validation
Hedwig Neu leitet eine der drei autorisierten Validationsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie trainieren Menschen, die in Beziehung stehen zu Menschen mit Demenz, in der Kommunikationsmethode Validation nach Naomi Feil.
Hedwig Neu berichtet im Video:
Ich bin Hedwig Neu. Ich leite eine der drei autorisierten Validationsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Wir trainieren Menschen, die in Beziehung stehen zu Menschen mit Demenz in der Kommunikationsmethode Validation nach Naomi Feil.
Was ist Validation?
Validation kommt vom Lateinischen und man könnte es übersetzen mit „für gültig erklären“. Mit Menschen mit Demenz kommen wir häufig in Situationen, wo wir denken: „Das stimmt gar nicht, was der sagt“. Und dann ist es wichtig, wie man reagiert. Üblicherweise würden wir die Person korrigieren in ihrer Wahrnehmung. Wir würden ihr sagen, wie es richtig ist. Damit kommt man aber nicht weiter. Jeder Mensch hat auch seine eigene, subjektive innere Wirklichkeit. Die Menschen können sich konfrontiert fühlen und dadurch wütend werden und damit sind wir dann wieder konfrontiert vielleicht mit Ärger und Frust und Wut oder auch mit innerem Rückzug.
Was raten Sie stattdessen?
Meine Idee ist, stattdessen tief durchzuatmen, die Person anzuhören und behutsam, achtsam und einfühlsam nachzufragen, was sie in ihrem Inneren bewegt. Dann fühlt die Person sich angenommen, angehört und verstanden. Dadurch nehmen die schmerzhaften Gefühle und der Stress in meinem Gegenüber ab.
Was wir trainieren, ist, dass die Menschen sich lernen zu zentrieren. Das Zentrieren ist das A und O, um empathisch mit jemand anderem zu sein. Und das Zentrieren ist, ich nehme mich schnell für einen Moment wahr. Ich spüre, was in mir spielt. Das könnte zum Beispiel sein, dass mich das Verhalten meines Nächsten, der Person, die ich begleite, aufbringt, stört, ja, selber wütend macht. Oder ich denke, ich habe jetzt keine Zeit. Und wenn ich das dann, was in mir spielt, wahrgenommen habe, dann wäre der nächste Schritt, dass ich zum Beispiel über eine tiefe Einatmung und eine tiefe Ausatmung versuche, mich selber zu entspannen, ins Gleichgewicht zu bringen und diese störenden Gedanken und Impulse von mir für eine Zeit lang sein lasse. Hinter mich stelle, könnte man sagen. Loslasse, um dann, im nächsten Schritt, das ist auch etwas, was wir trainieren, genau hinzuschauen und genau hinzuhören. Wie ist der andere Mensch mir gegenüber? Wie ist seine Haltung? Wie ist seine Mimik, seine Körperhaltung, seine Gestik? Wie ist die Stimme? Und was verrät mir diese nonverbale Sprache alles über seinen inneren Zustand, über sein Gestimmtsein, seine Befindlichkeit?
Und wenn es nicht funktioniert?
Ja, wenn ich mich nicht zentrieren kann in der Situation, ist es bestimmt gut, ich gehe mal weg und komme wieder. Das ist schon auch ein Tipp, den wir auch Pflegepersonal geben, weil es sind alles Menschen. Und jetzt würde ich sagen, diese Geschichten, also auch den Tipp, wenn ich in einer Beziehung bin, wo emotional heftig ist und ich merke auch, ich bin auch mit persönlich involviert, betroffen, dann ist es auch zwischen uns orientierten Menschen gut, um des lieben Friedens willen vielleicht mal kurz wegzugehen und wiederzukommen, wenn man sich sortiert hat. Der Unterschied ist nicht so groß.
Wir haben ja solche Demenz-Klischees oder Vorurteile. Ja? Wir denken manchmal, die Menschen sind jenseits von Gut und Böse, oder sie sind kindisch und man muss sie behandeln wie, wie man eben kindische Menschen behandelt. Und ich finde, Respekt haben wir verdient. Nicht, weil wir keine Demenz haben, sondern weil wir Menschen sind. Und das bleiben wir von der Geburt bis zum Tod.
Welchen Tipp können Sie geben?
Der Tipp, den ich habe, ist, in einem Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung, die wir Demenz nennen, immer zuallererst den Menschen zu sehen und das Menschliche in der Person und nicht die Krankheit. Das hilft uns, in Beziehung zu bleiben über alle Phasen hinweg, auch wenn die Menschen nonverbal werden. Und das nennen wir eine achtsame, wertschätzende Grundhaltung.
Wir zeigen Ihnen anhand einiger Beispiele, wie Sie gemeinsam schwierige Situationen meistern können und dabei Techniken aus der Validation anwenden.
Menschen mit Demenz leben oftmals in Alarmbereitschaft, weil sie die Absichten anderer Menschen missverstehen. Sie setzen sich mit Worten und manchmal auch mit Wurfgeschossen zur Wehr, um Abstand herzustellen und sich zu schützen.
Unser Tipp: Bleiben Sie stehen! Warten Sie einen Moment ab. Versuchen Sie mit einer Frage Kontakt herzustellen, wie etwa: „Hat dich gerade etwas erschreckt?“
Menschen mit Demenz schätzen Situationen oftmals anders ein. Diese Unsicherheit ängstigt und ein Wutausbruch entpuppt sich manchmal als ein Zeichen dieser Angst.
Unser Tipp: Bleiben Sie ruhig! Falls es Ihnen schwerfällt, gelassen zu bleiben, verlassen Sie für einen Moment die Situation. Versuchen Sie, die Gefühle in Worte zu fassen, wie etwa: „Es macht dich wütend. Das tut mir leid.“ oder „Ich glaube, dass dich das ängstigt.“
Menschen mit Demenz vermischen Erinnerungen. Sie wechseln zwischen unterschiedlichen Lebenszeiten und bringen ähnliche Ereignisse durcheinander. Mitunter geraten auch frei erfundene Anteile in diese persönlichen Erzählungen.
Unser Tipp: Vermeiden Sie den Versuch einer Richtigstellung! Sagen Sie etwa: „Das ist interessant.“ oder fragen Sie nach: „Was hast du da gemacht?“, um auf die Situation einzugehen.
Menschen mit Demenz nehmen Verunreinigungen teilweise nicht wahr und empfinden sich als gepflegt angezogen, auch wenn sie verschmutzte Kleidung tragen.
Unser Tipp: Akzeptieren Sie die Entscheidung! Wenn es einen dringenden Termin gibt, der eine vorherige Körperpflege erfordert, können Sie versuchen, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Knüpfen Sie an schöne Erinnerungen an, wie etwa: „Lass uns doch mal wieder Kaffeetrinken gehen. Komm, dafür machen wir uns jetzt mal richtig schön.“
- Nehmen Sie die Äußerungen von Abwehr oder Unmut ernst. Sie sind Zeichen der aktuellen Gefühlswelt und oft ein Ausdruck tiefgehender Verlustängste. Ihre Nähe und Ihre verständnisvolle Reaktion sind in diesen Momenten wichtig für ein entspanntes Miteinander.
Tipps für ein besseres Miteinander
Mit etwas Übung gelingt es Ihnen sicher, die jeweils aktuelle Gefühlslage einzuschätzen und ihr unvoreingenommen zu begegnen. Bleiben Sie ehrlich und offen, wenn Sie miteinander sprechen. Dazu gehört auch, dass Mimik, Gesten, Aussprache und Berührungen zu den Worten passen, die Sie sagen.
Bitte klicken Sie auf die Karten, um mehr zu erfahren.
- Es gibt kein Patentrezept für das Vermeiden von schwierigen Situationen. Geben Sie sich im Miteinander Zeit, denn oft entsteht ein Streit aus einer stressigen Situation oder einem Missverständnis heraus.
Einfühlsam kommunizieren mit Validation
Hedwig Neu leitet eine der drei autorisierten Validationsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie trainieren Menschen, die in Beziehung stehen zu Menschen mit Demenz, in der Kommunikationsmethode Validation nach Naomi Feil.
Hedwig Neu berichtet im Video:
Woher stammt die Validation?
Also Validation ist zurückzuführen auf Naomi Feil, eine Gerontologin und Sozialarbeiterin aus den USA. Sie war eingesetzt auf einer Sonderstation mit Menschen mit Demenz und hat gemerkt und gespürt, dass die gängigen Konzepte der Realitätsorientierung, des sanft Korrigierens von den Menschen nicht angenommen werden. Und dann hat sie begonnen, in ihrem Bereich zu beobachten. Also sie hat, man kann sagen, eine kleine Feldforschung gemacht. Sie hat sich mitten unter die Menschen gesetzt und beobachtet und zugehört und eine biografische Recherche gemacht bei den Personen, die sie dort begleitet hat und festgestellt hat, dass die Bedürfnisse und die Gefühle, die die Menschen äußern, in ihrem Desorientiertsein, ihre Wurzel oft in vergangenen Lebenszeiten haben und dass dort eben auch das ausgedrückt wird, was vielleicht zu den älteren Lebenszeiten, zu den vorherigen Lebenszeiten ignoriert und unterdrückt war bei der Person
Können Sie Beispiele nennen?
Stellen Sie sich vor, da kommt die Frau Meier und sie sagt: "Ich gehe jetzt heim zu meiner Mama." Und es ist zu spüren, die Frau Meier ist traurig. Sie ist, hat Heimweh, aber sie ist 89 Jahre alt und wir denken, die Mutter ist schon längst tot. Ein Validationsanwender wird sie dann nicht korrigieren, sondern der wendet sich zu und frägt: "Sind Sie traurig, Frau Meier? Vermissen Sie die Mama sehr? Fehlt die Ihnen?" Frau Meier antwortet dann: "Ja, die fehlt mir sehr." Und dann frägt der Validationsanwender nach der Mutter: Wie hat die Mutter ausgesehen? Was war am schönsten bei der Mutter und was ist am schwersten, wenn die Mama nicht da ist? Und so kann die Frau Meier sagen, wie sehr sie die Mutter liebt und vermisst und dass ihr die Geborgenheit und der Schutz fehlt. Dann kann der Anwender sich annähern vorsichtig und einfühlsam ihr die Hand vielleicht auf die Schulter legen oder sie auch mütterlich im Gesicht berühren. Und er könnte auch ihr Gefühl spiegeln durch ein Lied, das die Traurigkeit aufgreift. Das wäre im Fall von Frau Meier vielleicht "Kommt ein Vogel geflogen" und die ganze Zeit hat der Validationsanwender den Blick auf die Frau Meier und schaut, ob sie Erleichterung erfährt dadurch, dass sie ihre Traurigkeit ausdrücken kann und ihre Tränen weinen kann.
Da kommt der Herr Müller und will zur Arbeit. Und wir sagen im Alltag vielleicht: "Herr Müller, Sie sind 91 Jahre alt, Sie sind schon lange im Ruhestand und Sie dürfen sich jetzt ausruhen." Oder wir sagen: "Ich habe bei Ihrem Chef angerufen, Sie haben heute frei." Und der Herr Müller hat aber vielleicht das Bedürfnis, der Langeweile zu entfliehen oder seinen Status wiederherzustellen, ein geachtetes, respektables Mitglied dieser Gesellschaft zu sein. Und das, er wird dann uns widersprechen. Wir werden vielleicht mit ihm kämpfen und er wird vielleicht trotzdem gehen wollen und wütend werden. Und dann hilft es, dass wir uns sammeln, vielleicht einmal tief durchatmen oder zweimal. Und uns klarmachen, dass der Herr Müller durch sein Verhalten ein Bedürfnis ausdrückt. Und danach fragen, nach diesem Bedürfnis. Und ähnlich wie in der Szene vorher auch fragen: "Was ist besser, wenn man arbeitet? Was bewegt sie in Ihrem Inneren?" Ja, und wie ist es hier? Wie ist es hier ohne Arbeit? Das könnte man auch fragen. Und so kommen wir dem auf die Spur, was dem Herrn Müller fehlt. Und dann können wir auch die weitere Planung des Alltags besser danach ausrichten.
Menschen mit Demenz drücken häufig Bedürfnisse und Gefühle aus der Vergangenheit im Hier und Jetzt aus. Diese Gefühle werden auch durch ihr Erleben von der sogenannten Realität stimuliert. Wenn ich mich einsam fühle, dann mache ich mich vielleicht auf den Weg zur Mutter.