Wege in die Entlastung
So verschieden wie die Situationen sind auch mögliche Lösungen. Die Menschen, die wir Ihnen am Anfang des Themas vorgestellt haben, konnten Lösungsansätze für ihre Herausforderungen finden. Diese stellen wir Ihnen beispielhaft vor.
Roland W., 57 Jahre, fand eine Demenz-WG für seine Mutter
Ich habe es lange ausgehalten, aber irgendwann konnte ich die Pflege nicht mehr verantworten. Meine Mutter lebt jetzt nicht mehr bei uns im Haus, sondern in einer speziellen Demenz-WG. Dort geht es ihr viel besser als in unserer Obhut. Eigentlich hätte ich die Pflege schon viel früher abgeben sollen.
Sibylle A., 42 Jahre, hat sich Hilfe geholt
Meine Oma hat aufgehört, ihre Wäsche zu verstecken. Rückblickend war es ganz einfach: Wir sind zu einer Inkontinenzberatung gegangen. Dort hat meine Oma gelernt, dass sie sich nicht schämen muss. Seitdem sprechen wir viel offener über ihre Inkontinenz. Das hat unser Miteinander entspannt. Ich selbst gehe jetzt mindestens einmal pro Woche zum Sportkurs. Da kann ich richtig gut abschalten.
Robert T., 81 Jahre, geht anders mit seiner Frustration um
Ich war wirklich ungerecht zu meiner Frau. In unserem Alter ist das bestimmt eine Seltenheit, aber wir waren bei einer Paartherapeutin. Sie hat mir gezeigt, wie sehr ich meine Wut an anderen auslasse. Glauben Sie bloß nicht, dass ich freiwillig dort hingegangen bin. Meine Frau hat gesagt, wir machen das jetzt, oder sie kann mir nicht mehr helfen. Es ist so, meine Wut ist eigentlich Traurigkeit über meine verlorenen Fähigkeiten.
Maybritt L., 56 Jahre, kann wieder durchschlafen
Wir haben endlich herausgefunden, warum mein Schwiegervater nachts immer um Hilfe gerufen hat. Es hat wohl eine starke Angst vor der Dunkelheit entwickelt. Wir haben sein Zimmer umgestaltet und am Pflegebett eine Snoezel-Lampe und einen Betthimmel angebracht. Nun leuchtet es sanft in der Nacht. Das scheint ihn zu beruhigen. Und auch ich schlafe endlich wieder und bin tagsüber deutlich gelassener.
Mustafa P., 63 Jahre, hat den Kontakt zum Vater abgebrochen
Ich hatte einen wirklich schlimmen Streit mit meinem Vater, weil ich ihn auf seine Ungepflegtheit angesprochen habe. Da musste ich einen Schlussstrich ziehen. Wir haben jetzt keinen Kontakt mehr. Ein Pflegedienst unterstützt ihn beim Duschen und eine Nachbarschaftshilfe kümmert sich um den Einkauf. Ich selbst spreche mit dem Pflegedienst und organisiere Vieles, bleibe aber lieber auf Abstand.
Edeltraut U., 79 Jahre, blüht im Kontakt mit anderen wieder auf
Ich glaube, ich war nicht gut zu meiner Tochter und habe sie wohl sehr gestresst. Im Gespräch mit einer Nachbarin ist mir klargeworden, dass ich zu Hause eingehe. Sie hat mich vor einiger Zeit zum Seniorencafé mitgenommen und das finde ich toll. Dort gibt es Gleichgesinnte, die auch viel allein sind. Ich gehe jetzt zur Handarbeitsgruppe und einmal im Monat bin ich beim Ausflug dabei. Da kann auch ich mit Rollator teilnehmen.
Seien Sie mutig!
Wenn Sie sich und Ihre Situation bei diesem Thema vielleicht wiedererkennen, möchten wir Ihnen Mut machen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Eine Pflegesituation kann für alle Beteiligten belastend und herausfordernd sein. Ein gutes Miteinander ist dann natürlich auch nicht einfach. Das ist normal und menschlich.
Bestehende Schwierigkeiten als gegeben hinzunehmen oder zu ignorieren, wird in aller Regel dazu führen, dass sich die Situation weiter zum Negativen entwickelt. Und vielleicht ist es mit professioneller Unterstützung möglich, Änderungen herbeizuführen, die vorher undenkbar erschienen. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert!
Ein Werkzeugkoffer für die Seele
Hilfreiche Strategien im Umgang mit Belastungen sind ein wichtiges Fundament für die langfristige Pflege zu Hause. Psychologin Dr. Jana Toppe erklärt, wie wichtig es ist, die eigenen Bedürfnisse nicht zu vergessen.
Frau Dr. Jana Toppe erklärt im Video:
„Wenn ich für mich eine Lösung finde, wie ich mit diesen schwierigen Situationen umgehe, dann erlebe ich eine Handlungsfähigkeit. Das heißt, ich habe ein Erfolgserlebnis. Ich habe Kontrolle über die Situation. Ich kann damit besser umgehen. Was auch wiederum heißt, ich werde höchstwahrscheinlich gesünder sein. Ich werde weniger gestresst sein, weil ich weiß, im Hinterkopf, ich habe da einen Werkzeugkoffer. Das wirkt sich auch auf die Pflegesituation aus. Ich kann mich besser um eine Person kümmern, wenn es mir auch gutgeht. Ich muss ja stabil sein. Das heißt, ich habe eine bessere Möglichkeit auch, mich um mich selber zu kümmern. Meine Bedürfnisse zu erkennen und für mich selber in diesem sehr engen, strukturierten Pflegealltag trotzdem einen kleinen Raum zu finden, in dem es mir gutgehen kann.
Ich habe das Gefühl, das Ziel ist eigentlich, in Frieden zu leben. Die meisten Menschen wollen einfach, dass es ihnen gut geht, dass es ihren Angehörigen gut geht und dass sie das, was anfällt, bewältigen können. Ohne größere Schäden. Es geht darum, ein Leben leben zu können, während der Pflege und nicht darauf zu warten, dass die Pflege endlich vorbei ist, damit das Leben anfängt."