Freiheitsentziehende Maßnahmen und Alternativen
Es ist gesetzlich verboten, die Freiheit von erwachsenen Menschen ohne richterlichen Beschluss einzuschränken. Erfahrungen von Pflegeprofis zeigen: Es gibt hilfreiche Alternativen zu klassischen Maßnahmen des Freiheitsentzugs.
Wenn eine Person die Freiheit einer anderen Person durch die Ausübung von Zwang einschränkt, sprechen Fachleute von einer freiheitsentziehenden Maßnahme (FEM). Im Wesentlichen gibt es drei Formen:
Medikamente mit einer beruhigenden Wirkung zwingen die einnehmende Person in einen Ruhezustand. Dies erhöht allerdings das Sturzrisiko, denn die Arzneimittel können Benommenheit, Verwirrtheit und Schwindel auslösen oder das Reaktionsvermögen mindern. Wenn sich eine Person wegen eines beruhigenden Medikaments weniger bewegt, fehlt den Muskeln außerdem wichtiges Training. Die Folge ist ein Muskelabbau, der im weiteren Verlauf einschränkend wirkt und zusätzlich das Sturzrisiko erhöht. Nicht zuletzt können sedierende Medikamente eine Mangelernährung verursachen, weil der Appetit ausbleibt.
Vorrichtungen wie Gurte oder Handfesseln fixieren die betroffene Person an Ort und Stelle. Solche und weitere Fixierungssysteme können Verletzungen wie Schürfwunden, Quetschungen oder Muskelzerrungen verursachen. Sie erhöhen die Unfallgefahr, wenn jemand versucht, eine Fixierung zu lösen oder ein hochgezogenes Bettseitengitter zu überwinden. Mechanische Maßnahmen umfassen auch abgeschlossene Türen oder mit Laufgitter versperrte Treppen.
Das Wegnehmen von Hilfsmitteln beschränkt die Freiheit eines Menschen, wenn dieser zum Beispiel einen Rollator nicht erreichen kann, der Akku eines E-Rollstuhls nicht geladen wird oder er keine Möglichkeit hat, mit einer Handglocke um Hilfe zu bitten.
Im Zweifel für die Freiheit
Angehörige begründen freiheitsentziehende Maßnahmen oft mit dem Verweis auf drohende Gefahren. Vielleicht findet Papa nicht zurück, wenn er spazieren geht. Vielleicht stürzt Oma, wenn sie die Treppe steigt. Menschen mit Pflegebedarf haben allerdings ein Recht darauf, sich allgemeinen Lebensrisiken auszusetzen. Anstatt die Freiheit einzuschränken, denken Sie über Alternativen nach.
Es gibt Alternativen zu FEM, wenn eine pflegebedürftige Person etwa einen Bewegungsdrang verspürt oder Sie Angst haben, dass sich eine gangunsichere Person beim Aufstehen verletzt. Welche Alternative in Ihrer Situation helfen könnte, lässt sich etwa in einer Pflegeberatung klären.
Die Pflege-Charta des Bundesfamilienministeriums beschreibt die Rechte von Menschen mit Pflegebedarf. Dazu gehört auch das Recht, eigene Entscheidungen zu treffen.
Welche Alternativen gibt es?
Freiheitsentziehende Maßnahmen sind gesetzlich streng geregelt und nur in seltenen Fällen kurzzeitig nötig. Finden Sie alternative Lösungen in Ihrer individuellen Pflegesituation. Die meisten freiheitsentziehenden Maßnahmen lassen sich durch kluge Alternativen vermeiden.
Hier einige Beispiele:
- Alarmtrittmatte statt Einsperren im Zimmer
- Abendrituale statt schlaffördernder Medikamente
- Hüftprotektor und rutschhemmende Socken statt Bettseitengitter
- Weiche Fäustlinge als Kratzschutz statt Handfesseln
- GPS-Tracker (mit Einverständnis) statt Hausarrest
- Handläufe und Licht statt abgesperrter Treppen
- Keilkissen statt Rollstuhlgurt gegen Herausrutschen
- sinnvolle Beschäftigung statt sedierender Medikamente
- sichere Umgebung statt abgeschlossener Räume
- Fingerfood in der Umgebung statt erzwungenem Sitzen am Tisch
Im Pflegecoach-Themenbereich „Demenz verstehen“ finden Sie praktische Hinweise für die sichere Umgestaltung der Wohnräume.
Frank M., 48 Jahre, berichtet:
Für meinen an Demenz erkrankten Vater hatten wir ein Bettseitengitter installiert und das Bett an eine Wand geschoben. Beim Versuch, das Bett zu verlassen, ist er schwer gestürzt. Es folgte ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt. Mit einer Pflegeberaterin haben wir mit einem Bewegungsmelder und einem Niederflurbett eine bessere Möglichkeit gefunden.