Eine Frau steht neben einer am Tisch sitzenden alten Frau und unterstützt sie bei einer Mahlzeit.

Wie die Pflegeversicherung unterstützt

Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen die Selbstständigkeit von Menschen mit Pflege- und Betreuungsbedarf fördern und möglichst lange erhalten. Dafür beteiligt sich die Pflegekasse an den Kosten der Versorgung. In diesem Kapitel erfahren Sie mehr über die Leistungen der Pflegekasse und wer einen Anspruch darauf hat.

Auf einem Sofa sitzen eine Frau und ein kleines Mädchen nebeneinander. Das Mädchen hält lächelnd ein Spielzeug in die Kamera, die Frau legt dem Mädchen den Arm um die Schultern und schaut es an.

Die Pflegeversicherung hat das Ziel, finanzielle Belastungen im Fall einer Pflegebedürftigkeit abzufedern. Die Leistungen decken aber nur einen Teil der Kosten ab. Welche Leistungen und welche Kosten übernommen werden, ist gesetzlich vorgeschrieben.

Kosten, die über die im Gesetz festgelegten Beträge hinausgehen, müssen die versicherten Personen selbst tragen. Reichen die finanziellen Eigenmittel nicht aus, übernimmt ggf. der Sozialhilfeträger.

Wer ist pflegeversichert?

Wer gesetzlich krankenversichert ist, ist zugleich pflegeversichert. Es handelt sich um eine gesetzliche Pflichtversicherung. Privat krankenversicherte Personen sind verpflichtet, eine private Pflegeversicherung abzuschließen. Diese deckt mindestens die gleichen Leistungen ab wie die gesetzliche Pflegeversicherung.

Wer ist pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes?

Die Voraussetzungen für eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes sind im Elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) festgelegt:

  1. Pflegebedürftig ist, wer körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen kann. 
  2. Die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit bzw. eine Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer (voraussichtlich länger als 6 Monate) bestehen.

Damit hilfsbedürftige Menschen Leistungen der Pflegeversicherung erhalten können, muss bei ihnen zunächst ein Pflegegrad festgestellt werden. Dies geschieht durch eine Pflegebegutachtung. Dabei wird die Pflegebedürftigkeit nicht daran gemessen, wie schwer die Erkrankung oder Behinderung einer Person ist. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie stark sie in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Im Mittelpunkt steht die Frage: Was kann der pflegebedürftige Mensch noch allein und wobei benötigt er Hilfe? Die Leistungen der Pflegeversicherung richten sich nach der Höhe des Pflegegrads.

Wie wird Pflegebedürftigkeit festgestellt?

Eine alte Frau sitzt auf einem Sofa und kuschelt mit einer jungen Katze. Sie schaut lächelnd in die Kamera.

Im Rahmen einer Pflegebegutachtung betrachten unabhängige Sachverständige die Selbstständigkeit eines Menschen in allen Bereichen, die für die Bewältigung des täglichen Lebens wesentlich sind.

Für gesetzlich Versicherte übernimmt diese Aufgabe der Medizinische Dienst (MD), bei privat Versicherten die Medic Proof GmbH.

Die Sachverständigen nutzen für die Begutachtung einen einheitlichen Fragebogen, der die Fähigkeiten einer Person in sechs Lebensbereichen, den sogenannten Modulen erfasst.

Hier geht es um die Bewegungsfähigkeiten einer Person. Bei der Begutachtung wird unter anderem erfasst, wie selbstständig eine Person ihre Position im Bett wechseln kann, ob sie eine stabile Sitzposition einnehmen kann oder inwiefern die Fortbewegung im eigenen Wohnraum funktioniert. Eine Besonderheit liegt vor, wenn sowohl die Beine als auch die Arme nicht funktionsfähig sind. In diesem Fall erhalten die Betroffenen automatisch den Pflegegrad 5.

Hier stehen das Gedächtnis und die Mitteilungsfähigkeit im Vordergrund. Erfasst wird unter anderem, in welchem Maß eine Person selbstständig Entscheidungen treffen oder sich an einem Gespräch beteiligen kann.

Dieses Modul erfasst, wie häufig eine Person ein auffälliges Verhalten zeigt oder unter seelischen Problemen leidet. Die Beurteilung berücksichtigt zum Beispiel nächtliche Unruhe, Ängste, depressive Stimmungslagen oder Aggressivität.

In Modul 4 geht es um Körperpflege und Ernährung. Dies umfasst unter anderem die Fähigkeiten zum selbstständigen An- und Auskleiden, Essen und Trinken oder Duschen und Baden.

Dieses Modul dient dazu, die Selbstständigkeit in Bezug auf den Umgang mit Erkrankungen und Therapien zu beurteilen. Erfasst wird zum Beispiel der Unterstützungsbedarf bei ärztlich verordneten Maßnahmen wie Verbandswechseln, Blutzuckermessungen oder der Medikamenteneinnahme. Auch die notwendige Begleitung bei Arztbesuchen und Therapien wird berücksichtigt.

Wie selbstständig eine Person ihren Alltag gestalten und soziale Beziehungen aufrechterhalten kann, ermitteln die Sachverständigen anhand der Kriterien in Modul 6. Gelingt die selbstständige Beschäftigung? Hält die Person von sich aus Kontakt zu anderen Menschen? Ist der Tag-Nacht-Rhythmus durcheinander?

Die Bereiche „Außerhäusliche Aktivitäten“ und „Haushaltsführung“ werden bei der Begutachtung ebenfalls betrachtet. Die festgestellten Einschränkungen wirken sich aber nicht auf das Gesamtergebnis aus. Sie können dazu genutzt werden, einen individuellen Versorgungsplan aufzustellen.

Pflegebedürftigkeit bei Kindern

Ein Kind mit Down-Syndrom läuft fröhlich durch einen Garten.

Für Kinder gelten bei der Pflegebegutachtung besondere Regeln, denn alle Kinder brauchen je nach Entwicklung und Lebensalter im Alltag Unterstützung.

Zur Festlegung eines Pflegegrads bei Kindern wird deshalb ein Vergleich mit nicht körperlich oder geistig beeinträchtigten Kindern im gleichen Alter vorgenommen. Bei Kindern unter 18 Monaten werden besondere Maßstäbe angesetzt. Da auch gesunde Babys und Kleinkinder unselbstständig sind, könnte sonst kein Pflegegrad festgestellt werden.

Vom Modul zum Punktwert

Jedes der genannten Module besteht aus einzelnen Kriterien. Für jedes dieser Kriterien wird in einem ersten Schritt eine Punktzahl vergeben. Dabei gilt: Je stärker die Selbstständigkeit eingeschränkt ist, desto höher ist die jeweilige Punktzahl.

Bitte klicken Sie auf die Karten, um mehr zu erfahren.

0 Punkte

Selbstständig

Die Aktivität kann in der Regel selbstständig durchgeführt werden. Unter Umständen ist die Durchführung erschwert oder verlangsamt, aber es ist keine personelle Hilfe notwendig.

1 Punkt

Überwiegend selbstständig

Es besteht ein geringer Unterstützungsbedarf. Notwendig sind Hilfestellungen wie das Zurechtlegen und Anreichen von Gegenständen. Aufforderungen sowie eine zeitweise Beaufsichtigung sind notwendig. Eine punktuelle Übernahme von Teilhandlungen oder die Anwesenheit einer zweiten Person ist aus Sicherheitsgründen erforderlich.

2 Punkte

Überwiegend unselbstständig

Eigene Ressourcen bestehen, aber eine ständige Anleitung, Beaufsichtigung und Kontrolle, aufwändige Motivation oder die Übernahme von Teilhandlungen sind notwendig. Das Zurechtlegen und Richten von Gegenständen, wiederholte Aufforderung oder punktuelle Unterstützung reichen nicht aus.

3 Punkte

Unselbstständig

Die Aktivität kann in der Regel nicht selbstständig durchgeführt oder gesteuert werden. Es sind kaum oder keine Ressourcen vorhanden. Eine ständige Motivation, Beaufsichtigung oder Anleitung reichen nicht aus. Die Pflegeperson muss nahezu alle Teilhandlungen durchführen.

Eine Person, der es gelingt, ihre Beeinträchtigungen durch Hilfsmittel auszugleichen, gilt als selbstständig.

Vom Punktwert zum Pflegegrad

Die ermittelten Punktzahlen werden addiert, sodass sich für jedes Modul ein Summenwert ergibt. Danach werden diese Punkte gewichtet. Die einzelnen Module haben je nach ihrer Bedeutung für die Selbstständigkeit einer Person einen festgelegten Anteil an der Gesamtbewertung.

Die Module 2 und 3 sind sich inhaltlich sehr ähnlich. Deshalb fließt nur das Modul mit der höheren Punktzahl in die Gesamtwertung ein.

Klicken Sie auf die Punkte in der Abbildung, um mehr zu erfahren.

Grafische Darstellung eines Tortendiagramms mit den verschiedenen Kriterien zur Ermittlung eines Pflegegrades. Deren Gewichtung wird über die Größe des Tortenstücks verdeutlicht.

Mobilität

Das Modul „Mobilität“ macht 10% der Gesamtwertung aus.

Kognitive/kommunikative Fähigkeiten & Verhaltensweisen

Von den Modulen „Kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ und „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ fließt nur das Modul mit der höheren Punktzahl in die Gesamtbewertung ein. Sein Anteil macht dann 15 % der Gesamtwertung aus.

Selbstversorgung

Das Modul „Selbstversorgung“ macht 40 % aus und ist damit der am stärksten gewichtete Bereich.

Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

Das Modul „Bewältigung von und selbststständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen“ macht 20 % des Gesamtergebnisses aus.

Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Das Modul „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“ macht 15 % aus.

Legende:

Die gewichteten Punkte der einzelnen Module werden zu einem Gesamtwert addiert. Dieser Punktwert ergibt den Pflegegrad.

Keine Beeinträchtigung im Sinne der Pflegeversicherung

Ergebnis: Kein Pflegegrad

Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit

Ergebnis: Pflegegrad 1

Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit

Ergebnis: Pflegegrad 2

Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit

Ergebnis: Pflegegrad 3

Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit

Ergebnis: Pflegegrad 4

Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

Ergebnis: Pflegegrad 5

Wie genau die Punkte vergeben und gewichtet werden, erläutert eine Broschüre der BARMER.